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Ein Zwischenruf für Wald und Wild

PFANNENSTIEL: WALDSTRATEGIE 2050 SOWIE NOVELLIERUNG DES BUNDESJAGDGESETZES

Jagd als “Waldschutz” – Prof. Dr. Pfannenstiel fasst den derzeitigen Verfahrensstand (soweit bekannt) zur Waldstrategie 2050 sowie zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes

 wie folgt zusammen:

Zum derzeitigen Verfahrensstand (soweit bekannt):

  1. Zur Waldstrategie 2050 hat am 16.10.2019 eine Verbändeanhörung stattgefunden.
  2. Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik beim BMEL hat im Februar 2020 die von ihm entwickelten „Eckpunkte der Waldstrategie 2050“ vorgelegt.

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/waldpolitik/stellungnahme-waldstrategie-2050.html

Es gibt einen Entwurf des Kapitels Wald/Wild in der Waldstrategie 2050, zu dem derzeit Stellungnahmen abgegeben werden können. 

  1. In der Drucksache 19/17595 vom 04.03.2020 antwortet die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN wegen „Änderung des Bundesjagdgesetzes zur Unterstützung des naturgemäßen Waldumbaus“

https://polit-x.de/documents/3164196/bund/bundestag/drucksachen/antwort-2020-03-11-auf-die-kleine-anfrage-drucksache-1917173-anderung-des-bundesjagdgesetzes-zur-unterstutzung-des-naturgemaen-waldumbaus

  1. Die Novelle zum Bundesjagdgesetz war schon im Februar in einer Verbändeanhörung. Die Ressortabstimmung ist nahezu beendet. Der Gesetzentwurf soll noch im ersten Halbjahr 2020 vom Parlament und Bundesrat verabschiedet werden.

Zur Rechtsnatur der„Waldstrategie 2050“

In der genannten Drucksache führt die Bundesregierung zu Frage 16 u. a. aus:

„Die Waldstrategie 2050 wird dem Bundeskabinett zur Entscheidung vorgelegt. Eine Befassung des Bundestages ist rechtlich und formal nicht vorgesehen. Nach Beschluss des Bundeskabinetts wird die Waldstrategie 2050 auf der Internet-Seite des BMEL veröffentlicht.“

Im Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD heißt es zur Jagd lediglich:

Wir erkennen die Jagd als nachhaltige Nutzungsform an und wollen sie weiterhin stärken. Wir werden bundeseinheitliche Regelungen für eine Zertifizierung von Jagdmunition mit optimaler Tötungswirkung bei gleichzeitiger Bleiminimierung, einen Schießübungsnachweis, die Jäger- und Falknerausbildung sowie –prüfung schaffen.

Aus den unter Ziffer 2) genannten Eckpunkten stammen die nachfolgenden Textstellen:

S. 44:

Die Schalenwildbestände sind weiter angestiegen und mit ihnen die Jagdstrecken und die Wildschäden. Dies ist eine Folge der Eutrophierung der Ökosysteme, des vermehrten Anbaus von Mais, von mehr Deckung in Feld und Wald sowie unterschätzter Zuwachsraten, einem überholten Revier- und Prestigedenken sowie geringerer Fallwildzahlen durch mildere Winter.

S. 44

Ein weiterer Gesichtspunkt, der immer stärker in das öffentliche Bewusstsein rückt, ist die gestiegene Zahl der Wildunfälle (Hothorn et al. 2015). Diesbezüglich haben inzwischen verschiedene umfangreiche Untersuchungen gezeigt, dass die Hauptursache die gestiegenen Wildtierpopulationen sind, ….

S. 45

Ein zentrales Hindernis für ein effizientes Wildtiermanagement zur Verbesserung der Verjüngungssituation im Wald ist die Tatsache, dass die Jagdausübung vielfach in der Hand von Jägern liegt, die bei der Jagd Entspannung vom beruflichen Alltagsstress und Erholung in der Natur suchen und dem Waldzustand gegenüber der Jagd keinen Vorrang einräumen. Diese Ausrichtung wird durch Lücken in der heutigen Jagdgesetzgebung erst ermöglicht (Ammer et al. 2010). Diese basiert in ihrer Ausrichtung nach wie vor auf Anliegen des Reichsjagdgesetzes aus dem Jahre 1934, das weder wichtige wildbiologische Zusammenhänge, Tierschutzaspekte, Biodiversitätsanliegen noch effiziente Kontrollen der Wildtierbestände kannte, sondern die Hege und den Aufbau attraktiver Wildtierpopulationen anstrebte. Hier muss es zu einer grundlegenden Neuausrichtung kommen, die die heutigen Erkenntnisse des Tierschutzes, der Wildbiologie, der Waldökologie und eines effektiven Wildtiermanagements zeitgemäß und differenziert berücksichtigt.

Ein Teil des Problems entsteht auch daraus, dass die Wildschäden im Wald (Wachstumseinbußen, Qualitätsverluste, Entmischung, Mortalität, Destabilisierung von Bergwäldern) anders als in der Landwirtschaft von den Jagdausübungsberechtigten meist nicht erstattet werden, sodass sie ihre Jagdkonzepte nicht auf eine Schadensminderung im Wald ausrichten. Um die verschiedenartigen Ziele von Waldeigentümern in Bezug auf die Jagd, vom Wald als Kulisse für Jagdfreuden bis hin zur Jagd als Instrument für eine artenreiche Waldverjüngung befriedigen zu können, sollte man sich vom Leitbild eines mittleren Managements mit all den heute gebräuchlichen undefinierten Begriffen wie „landeskulturellen Bedürfnisse“, „gesunder Wildbestand“, „ausgeglichenes Geschlechterverhältnis“ verabschieden und diese durch moderne Ziele aus Erkenntnissen der Wildbiologie, des Tierschutzes und der Waldökologie ersetzen.

Wegen der Vorschläge wird auf die Seiten 46 und 47 verwiesen, die damit enden, dass das Monitoring der Wildbestände durch die Forstämter erfolgen soll.

In dem Entwurf BMEL zur Waldstrategie 2050 heißt es:

  • Viele Baum- und Straucharten können sich bei den derzeitigen Wilddichten nicht natürlich verjüngen
  • Krautige Pflanzen sind in ihrer Entwicklung beeinträchtigt
  • Überhöhte Wildbestände stören ….nachhaltig die Entwicklung zu klimaangepassten Mischwäldern
  • Sie gefährden die existentiellen Leistungen der Waldökosysteme für die Gesellschaft
  • Die Jagd ist wichtiger Bestandteil des Waldschutzes
  • Die Jagd muss ihrer Verantwortung in höherem Maße nachkommen als bisher
  • Es muss ein möglichst freier Zugang zur Jagdausübung bestehen
  • Die Jagd ist verantwortlich für klimastabile Mischwälder
  • Alternativen zur Pacht sind zu fördern
  • Die Vermeidung von Wildschäden unterliegt hoheitlicher Aufsicht

(Ob die Aufzählung der Maßnahmen vollständig ist, ist ungewiss, weil die Seite 3 leer ist, die Eckpunkte aber weitere Maßnahmen enthalten, z.B.:

Zulassung weiterer technischer Methoden, die die Jagd tierschutzgerechter und effizienter machen.

Ø Verbesserung der Rahmenbedingungen für großräumig angelegte Bewegungsjagden und Entschärfung der Regelungen im Fall überjagender Hunde.

Ø Bestehende gesetzliche Regelungen, die sich aus dem Hegegedanken des Reichsjagdgesetzes ableiten, sind aus dem Jagdgesetz zu Gunsten wildbiologischer und ökologischer Erkenntnisse zu entfernen.)

Folgerungen:

Ziel dieser Waldstrategie ist die Trennung des Jagdrechts vom Eigentum an Grund und Boden, womit sich dann auch die Frage der Jagdbezirke erledigt.

Da § 3 BJagdG eine einfachgesetzliche Bestimmung ist, wäre dies wohl durchaus möglich. Die Sichtweise (Jagd ist Bestandteil des Waldschutzes – da kommt Eigentum schon nicht mehr vor) entspricht dem bereits.

Pflanzenfresser stören, insbesondere deswegen, weil sie tatsächlich außerhalb der Vegetationszeit auch noch was zum Fressen brauchen! Im Hinblick auf die ganzen Abkommen zur Biodiversität eine schon eigenwillige Sichtweise.

Dass nun auch die Krautschicht zu dem vor Wildverbiss zu schützenden Bewuchs gehört, ist eine weitergehende Betrachtungsweise des BMEL.

Wenn die Jagd „nach dem Stand der Technik“ weiterentwickelt werden soll, dürfte das erklärungsbedürftig sein. Von welchem „Stand der Technik“ (des Tötens?) ist da die Rede?

Anmerkung:

Jagd als Wirtschaftsfaktor (z. B. Jagdpacht, Wildschadenszahlungen, Arbeitsplätze für Jagdkleidung, – autos pp.) spielen keine Rolle

Wildbret als Lebensmittel ebenfalls nicht.

Daraus könnten sich folgende

Fragen an Bundestagsabgeordnete

ergeben (dabei stellt es sich als Problem dar, dass der Inhalt der Novelle nicht bekannt ist):

  1. Sehen Sie eine Notwendigkeit, das Bundesjagdgesetz über die im Koalitionsvertrag hinausgehenden Punkte zu verändern?

Was wurde dazu zwischen den Koalitionspartnern vereinbart? (Diese Frage richtet sich nur an die MdBs der CDU und SPD)

  1. Werden Sie dafür eintreten, dass
  1. Das Jagdrecht weiterhin untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden bleibt (jetzt § 3 BJagdG) und
  2. Das Recht, die Jagd auszuüben weiterhin an die jetzige Mindestgröße zusammenhängender Flächen geknüpft bleibt (Reviersystem)?
  1. Halten Sie nach wie vor daran fest, dass das Jagdrecht ein im Verhältnis zum Waldrecht eigenständiger Rechtsbereich ist oder soll die Jagdausübung künftig ausschließlich waldbaulich für erforderlich gehaltenen Vorgaben zu folgen haben?

Falls Sie das bejahen: was sind die Gründe dafür und wer legt diese fest?

  1. Sind Sie der Auffassung, dass die Vermeidung von Wildschäden hoheitlicher Aufsicht bedarf?

Wenn ja, warum und wie hoch schätzen Sie die dadurch entstehenden und aus Steuergeldern zu finanzierenden Kosten ein?

Welche Behörde würde das beaufsichtigen sollen?

  1. Was verstehen Sie unter einem „klimastabilen“ Wald? Warum soll dieser Begriff, der in den Waldgesetzen nicht vorkommt, für den Bereich der Jagdausübung von Bedeutung sein können?
  1. Die bisherige Waldbewirtschaftung hat sich bewährt, wie sich aus den Zertifizierungen durch FSC und PEFC erkennen lässt. Das umfasst auch den Wildeinfluss. Sehen Sie jetzt einen Grund dafür, dass Waldeigentümer mit ihrem Wald weniger verantwortungsbewusst umgehen werden, so dass staatliche Regulierung erforderlich wäre?

Wenn ja, welche konkreten Fälle liegen dem zu Grunde?

Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel